Das Gesetzesvorhaben zum neuen polnischen Anti-Terrorgesetz wurde am 21. April 2016 vom Innenministerium und der Verwaltung veröffentlicht. Das Gesetz enthält Maßnahmen, die weder mit der polnischen Verfassung, noch den europäischen Vereinbarungen zur Wahrung der Menschenrechte vereinbar sind. Die Diskriminierung von Ausländer_innen (davon sind ebenso Europäer_innen anderer Nationalitäten betroffen) stellt nämlich den Eckpfeiler dieses Vorhabens dar. Ohne Rücksicht auf Kritik nehmen zu wollen, die sowohl aus dem Inneren des Landes als auch aus dem Ausland zu hören war, wollte die Regierung das Gesetz am 1. Juni 2016 mit Gewalt durchsetzen. Letztendlich konnte die gewaltsame Durchsetzung am 10. Juni 2016 erfolgen.
Die polnische Regierung behauptet, dass das neue Anti-Terror Gesetz notwendig ist, um die Koordination von Geheimdiensten zu verbessern und um potentielle Übereinkünfte im Rahmen des NATO-Gipfels (Juli 2016) sowie dem Weltjugendtag (Juni 2016) treffen zu können. Während die Notwendigkeit zur Verbesserung der Arbeit der Geheimdienste, eine gute Koordination zwischen den verschiedenen Geheimdiensten und die Einrichtung wirksamer Mechanismen für diesen Zweck angemessen erscheinen mögen, geht das neue Anti-Terror-Gesetz viel weiter, beschneidet es doch die Grundrechte insbesondere in Bezug auf Rechte für in Polen lebende Ausländer_innen oder Durchreisende. Die Regierung hat sichtlich Mühe zu erklären, wie solche Maßnahmen – die nicht nur auf potentielle Terroristen abzielen, sondern auf alle Ausländer_innen oder Nutzer_innen spezieller Technologien – zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit beitragen sollen.
Das neue Anti-Terror Gesetz beinhaltet:
1. Einschränkung des Versammlungsrechts
Anhand der Tatsache, dass terroristische Handlungen oder die Bedrohung durch solche nur sehr unklar definiert werden, kann die Regierung eine Reihe von speziellen Maßnahmen im ganzen Land vornehmen und gewinnt so ein wirksames Mittel, um öffentlichen Protest zu kontrollieren. 2012 wurden im Rahmen der Mobilisierung gegen das ACTA-Abkommen einige regierungseigene Internetseiten gehackt, was nun als illegale Handlung gegen die öffentliche Sicherheit angesehen werden kann. Dem neuen Anti-Terror Gesetz zufolge ist diese Form sozialen und bürgerlichen Protests eine terroristische Handlung. Hätte das Gesetz bereits zu diesem Zeitpunkt existiert, wäre es möglich gewesen, jeglichen Protest schon im Vorfeld zu unterbinden.
2. Einschränkung des Rechts auf freie Telekommunikation
Das Gesetz verpflichtet die Nutzer_innen von Handy prepaid-Karten, diese beim Kauf namentlich unter Vorlage eines Ausweisdokumentes zu registrieren. Diese Maßnahme wird im Kampf gegen Kriminalität wenig nützlich sein, da sie sehr einfach von Personen, die dazu entschlossen sind, umgegangen werden kann (insbesondere wenn die Person aus dem Ausland kommt). Stattdessen schränkt sie zum Beispiel die Rechte von Journalist_innen ein, die ihre Informationsquellen schützen möchten, oder Bürger_innen, die ein legitimes Interesse daran haben, ihr Privatleben schützen zu wollen.
3. Unbeschränkter Zugang zu öffentlichen Daten für interne Sicherheitsbehörden
Die internen Sicherheitsbehörden bekommen nach diesem Gesetz ein unbeschränktes Recht auf Zugang zu den Datenbanken von öffentlichen Einrichtungen, auf städtische Register oder Polizeiakten und darin gespeicherte Fingerabdrücke, ohne dass irgendein Kontrollinstrument zur Verfügung steht.
4. Alle Ausländer_innen werden zu Verdächtigen
Die derzeitigen Regelungen zum Schutz der Freiheitsrechte von Ausländer_innen unterliegen polnischen Gesetzen, die momentan erheblich zum negativen abgeändert werden. Das Telefon von Ausländer_innen kann ohne die Entscheidung eines Richters von der Polizei abgehört werden, eine Identitätsprüfung anhand der Abnahme von Fingerabdrücken kann jederzeit durchgeführt werden. In einem ethnisch relativ homogenen Land wie Polen schafft dies eine Gefahr der Diskriminierung anhand von „racial profiling“, also einer Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit. Während diese Maßnahmen scheinbar nur auf Ausländer_innen abzielen, kann jedoch hier vielmehr jede_r betroffen sein, da sämtliche Kommunikation mit einer verdächtigen Person auf das gleiche Niveau von Null- Freiheit setzt.
5. Der Zugang zum Internet kann auf Anfrage der internen Sicherheitsbehörden gesperrt werden
Es ist geplant, auf Antrag des Leiters der internen Sicherheitsdienste sofort den Zugang zum Internet blockieren zu können. Erst nach fünf Tagen soll ein Gericht prüfen, ob die Sperrung aufrecht erhalten bleibt und ob sie gerechtfertigt ist. Menschen, die Anleitungen zur Herstellung von Explosiven finden wollen (die oft nur schwer für die breite Öffentlichkeit zu finden sind), werden sie trotzdem finden. Die Technik, die solche Inhalte filtern soll, wird höchstwahrscheinlich letztendlich nur dazu benutzt werden, den Zugang zu anderen Arten von Inhalten zu verhindern. Zusätzlich zu seinem sehr umstrittenen Charakter und der Tatsache, dass es unberechtigt ist, ist dieser Teil des Gesetzes ohne jegliche Art der Befragung der Bürger_innen eingeflossen und ließ dem Parlament weniger als einen Monat vor seinem Erlass Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, was dementsprechend logischerweise keinerlei öffentliche Debatte möglich gemacht hat.